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Jobpoppers / 2000


Popstar sein oder Schnittchenträger
Das Leben ein Traum zwischen Idealismus und Trash
In JOBPOPPERS, der neuen Produktion des Flinntheaters, drehen sich sieben Menschen mit Begeisterung um sich selbst und müssen immer wieder feststellen, daß das Leben einfach nicht zu sich selber passt. Da muß man flexibel sein.
So tarnt sich Lisa für ihre fiktiven Undercovergeschichten als holländisches Fischermädchen, um ihren Traum von der Journalistenkarriere zu leben. Anne hingegen ist auf dem Weg Polizistin zu werden. Der Job ist hart, sie aber nicht. Also hängt sie lieber im Getränkemarkt herum und schaut Leergutboy Daniel, der eigentlich diplomierter Mathematiker ist, beim Arbeiten zu. Bis Doro sie engagiert. Denn die ist - wenn sie nicht gerade auf Cocktailparties gegen Geld Schnittchen schleppt - Popstar. Also braucht sie einen Bodyguard. Denn das ist cool. Die von Schauspielerin Chloe Sevigny in die Umlaufbahn der potenzierten Selbstreflexion geworfene Coolness-Definition wird denn von Doro auch mehrfach zitiert, damit es wenigstens so aussieht, als wisse sie Bescheid.
Darum geht es: Träume zu träumen, obgleich diese sowohl dekonstruiert als auch demontiert sind.
Karrieremöglichkeiten in Form einer Dauerwerbesendung, als seien alle Ziele per Handstreich und Drei-Minuten-Philosophie zu erreichen. Auf der anderen Seite gleicht das Leben einer permanenten Generalprobe, die vergeblich auf ihre Premiere wartet. Palaverschnipsel und Retortensprache werden aneinandergereiht. Man konvertiert zum Buddhismus, begeht zur Selbstfindung pazifistische Stammestänze und im Hintergrund covert Britney Spears die Rolling Stones.
Eine Balance aus Textlastigkeit und pointiertem Bewegungstheater, solidem Szenen- und Bühnenbau und ein gut aufgelegtes Ensemble sorgen in der Inszenierung von Tobias Krechel dafür, dass sich das Stück nicht selber in der Orientierungslosigkeit aus Popstar-Dasein und Schnittchenträgertum auflöst. Auch im bizarren Schlussbild, wo in Lisas Kochsendung die Internationale angestimmt wird, kristallisiert sich so das das thematische Spannungsfeld zwischen Idealismus und Trash.
Während sich einer nach dem anderen vom Absingen der gemeinsamen Hymne verabschiedet, um sich der Langeweile oder einer Party hinzugeben, bleibt die Möchtegernreporterin alias Hollandmadje Fiskje mit stinkender Makrele in der Hand aufrecht bis zum letzten Ton stehen.

HNA Kassel 04.09.2000

Mit Anne Brendgen (heute Wagner), Dorothea Klein, Maxim Mehmet, Lisa Stepf, Daniel Stock, Janine Tuma
 
Text und Regie Tobias Krechel und Sophia Stepf

Eine Koproduktion mit der Kulturfabrik Salzmann
gefördert von dem Kulturamt der Stadt Kassel, Karlsberg Brauerei und karaburun tours

Vorstellungen in der Kulturfabrik Salzman Kassel, der Universität Lüneburg, der Brotfabrik Bonn, dem Gallustheater Frankfurt, dem Theo / Stadttheater Hildesheim, dem Theater Aachen /Mörgens, der Studiobühne Köln (eingeladen zu theaterszene europa)